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Herzinfarkt und Schlaganfall bei Frauen und Männern: Gibt es Unterschiede?

Herzinfarkt

Herzinfarkt und Schlaganfall, die Volkskrankheiten Nummer Eins in Deutschland, basieren in ihrem Entstehungsmechanismus auf der Tatsache, dass sich plötzlich eine Ader, die eben zum Herzen oder zum Gehirn führt, verstopft. Was ist passiert? Gefäßverkalkungen bzw. Ablagerungen in den Gefäßen, die im Laufe des Lebens zum Teil als natürlicher, zum Teil als beschleunigter Alterungsprozess durch bestimmte Risikofaktoren (Rauchen, Zucker, Fettstoffwechselstörung, Bewegungsmangel, Übergewicht, …) entstehen, werden unter bestimmten Situationen plötzlich „instabil“ und locken Blutplättchen an, die sich dann um diese Verkalkung herum gruppieren und zu einer plötzlichen Verstopfung des Gefäßes führen. Was den Entstehungsmechanismus von Herzinfarkt und Schlaganfall betrifft, gibt es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau. Erheblich sind die Unterschiede aber in der Häufigkeit des Auftretens, in der Häufigkeit in bestimmten Lebensphasen, in den Beschwerden, die ein Patient bspw. bei einem Herzinfarkt verspürt, und auch in der Behandlungsqualität und in den Behandlungserfolgen.

Frauen „verkalken“ später

Zunächst ist es so, dass die Frauen im gebärfähigen Alter durch ein ausgeklügeltes Wechselspiel ihrer Hormone – offenbar um das Fortpflanzungsalter „unbeschadet“ zu überstehen – zunächst wesentlich seltener und wesentlich langsamer in den Gefäßen Ablagerungen entwickeln: Männer „verkalken“ schon ab dem 30. Lebensjahr, bei Frauen beginnt dieser Prozess durchschnittlich mit 50. Nach der Menopause ist der Verkalkungsprozess dann aber offenbar beschleunigt. Dennoch ist es so, dass der Herzinfarkt bei Männern bis zu dreimal häufiger vorkommt als bei Frauen. Auf die gesamte Lebensspanne betrachtet, stirbt aber jede zweite Frau an einem Herz-Kreislauf-Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Nur jede 25. Frau verstirbt an einem Brustkrebs. Ungeachtet dessen sind die Bemühungen der vorbeugenden Medizin (Prävention) bei Frauen in der Brustkrebsvorsorge wesentlich ausgeprägter als in der Herzinfarkt- und Schlaganfallvorsorge. Dies ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass die Todesfälle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen in absoluten Zahlen zwar häufiger, aber eben wesentlich später, in deutlich höherem Alter auftreten.

Eine bahnbrechende Untersuchung, die von Salim Yusuf, einem der führenden Epidemiologen und Kardiologen aus Hamilton/Ontario, in 2005 im Lancet publiziert wurde (Interheart), zeigt, dass hingegen die klassischen Risikofaktoren, die oben aufgelistet sind, unabhängig vom Geschlecht den Prozess der Arteriosklerose (Arterienverkalkung) beschleunigen können. So ist Rauchen für Männer und Frauen „gleich“ gefährlich. Fortgesetzter und starker Nikotinabusus (Nikotinmissbrauch) bspw. steigert bei beiden Geschlechtern das Risiko für einen Herzinfarkt um das drei- bis vierfache.

Diese Untersuchung hat aber auch gezeigt (wie schon viele andere Untersuchungen – so die Womens Health Study), dass die Betrachtungsweise der klassischen Blutfette, also des Gesamtcholesterins/ LDL-Cholesterins, bei der Risikoabschätzung nicht wirklich weiterhelfen: So erleidet die Hälfte aller Frauen einen Herzinfarkt, obwohl das sog. LDL-Cholesterin („böses Cholesterin“) unter 130 mg/dl gelegen hat.

Schlaganfall-Gefährdung bei Frauen größer

Eine kleine „Sonderrolle“ scheint der Schlaganfall zu sein. Hier sind Frauen etwas gefährdeter, offenbar auch deshalb, da bei Frauen ein sich entwickelnder Bluthochdruck nicht in dem Ausmaß diagnostiziert und therapiert wird, wie dies bei Männern der Fall ist. Möglicherweise sind die Bedenken gegenüber Nebenwirkungen von Medikamenten bei Frauen stärker ausgeprägt und wiegen stärker als die Angst vor den Folgen des Bluthochdruckes – dem Schlaganfall. Die Internisten und Kardiologen haben diesem Umstand aber bereits Rechnung getragen. So wird bei Frauen in der Frage, ob zum Schlaganfallschutz das blutverdünnende Marcumar eingesetzt wird, wenn sich im Alter einmal Vorhofflimmern zeigt, alleine das weibliche Geschlecht als zusätzlicher Risikofaktor gesehen. Die Ärzte wissen also, dass Frauen hier besonders gefährdet sind und empfehlen Marcumar in dieser Situation eher als bei Männern.

Frauenspezifische Herzinfarkt-Symptome

Ein wesentliches Dilemma in der Behandlung des Herzinfarktes ist es, dass Frauen den Herzinfarkt nicht in der „klassischen“ Weise verspüren wie Männer. Häufig liegt eben kein Brustschmerz vor, sondern nur ein allgemeines Unwohlsein und sog. vegetative Begleitsymptome wie Übelkeit, Schwitzen und Schwäche. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich die Behandlungsqualität beim akuten Herzinfarkt bei Männern und Frauen unterscheidet, will heißen bei Frauen schlechter ist: Wenn einmal ein Herzinfarkt erlitten wird, ist die Sterblichkeit bei Frauen an diesem Infarkt höher, was durchaus an der verzögerten und manchmal in die Irre gehenden Diagnose liegt. „Frauenherzen schlagen anders“, hieß bereits Ende der 90er Jahre eine diesbezügliche Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. In den letzten Jahren hat sich die Sterblichkeit am Herzinfarkt bei Frauen aber insgesamt deutlich verbessert. Dies deutet darauf hin, dass es richtig war, die frauenspezifische Herzinfarkt-Symptomatik in der Ausbildung von Internisten und Kardiologen zu verankern.

Von Dr. med. Christian Albrecht